Wenn positives Denken nicht mehr angemessen ist.

Sich immer und ewig über alles und Jede/n aufzuregen kann ziemlich anstrengend werden. Nicht nur für die Person, die sich permanent in Negativschleifen verliert (und damit die Selbstwirksamkeit) und nicht in die Handlung kommt sondern auch für die Menschen im näheren Umfeld. Nicht selten entwickelt sich eine Dynamik, die in der Transaktionsanalyse als ‚Drama-Dreieck‘ beschrieben wird:

Ein Beziehungs- bzw. Kommunikationsmuster zwischen mindestens zwei Personen, die darin die drei Rollen des Opfers, des Täters oder Verfolgers und des Retters einnehmen.

Darum soll es in diesem Artikel jedoch gar nicht gehen.

Es gibt nämlich auch die gegenteilige Seite  der ‚permanenten Schwarzmalerei’:

Ein überzogener Positivismus bzw. der optimistische Anschein vom Funktionieren.

Menschen, die zwar tief in einer Erschöpfung stecken, sich selbst und anderen jedoch nach wie vor vermitteln, dass alles in bester Ordnung sei.

Die heile Fassade und positive, weil funktionierende Aussendarstellung von ‚ich hab alles im Griff‘ wird mit aller (verbleibender) Kraft aufrecht erhalten.

Den Fokus auf Dinge zu richten, die gut sind (oder scheinen) ist per se nichts Schlechtes (im Gegenteil!). 

Es wird nur dann kritisch, wenn sämtliche (gesundheitliche) Risiken des eigenen Erlebens und Verhaltens ausgeblendet werden.

Innere wie äußere Probleme werden lange und ausdauernd geleugnet.

Diese Form des Positivismus ist anstrengend und fordert sehr viel Energie. Energie, die den Betroffenen gerade nicht bzw. nur noch sehr begrenzt zur Verfügung steht.

Und die verbleibende Energie wird lieber dafür eingesetzt ‚weiter zu funktionieren‘, als sie für Dinge zu nutzen, denen man sich aus eigenem Antrieb (der nicht mehr vorhanden ist) widmen müsste (z.B. Hobbies oder Zeit in der Natur).

Dadurch entsteht ein immer stärker werdendes Spannungsfeld von nach außen gerichtetem Positivismus (mit dem Ziel zu funktionieren) und einem Zustand, in dem irgendwann keine Freude mehr empfunden wird.

Im Fachjargon heißt dieser Zustand Anhedonie:

Die Gefühle, die uns zeigen könnten, was uns guttut, spüren wir irgendwann nicht mehr.

Die Fähigkeit Gefühle wahrzunehmen, auch die ‚negativen‘, ist essentiell wichtig:

  • um Grenzen zu setzen (Wut)
  • uns vor Gefahren zu schützen (Angst)
  • und für uns zu sorgen (Traurigkeit).

Sich immer alles schön zu reden und alle Gefühle, die uns ‚vom Funktionieren abhalten‘ wegzudrücken, ist also nicht die Lösung – und auf Dauer fatal:

Immer weiterzumachen und sich einzureden, es wäre alles in Ordnung mit der wachsenden Gewissheit, dass eigentlich gar nichts mehr in Ordnung ist.

In einer Welt in der ‚höher, schneller, weiter‘ zum höchsten Gut verkommen ist, ist das (wirkliche) Innehalten alles andere als leicht. Und die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Bedürfnissen meist schmerzhaft.

Und doch lohnt es sich…um irgendwann aus dem ewigen Kreislauf des Funktionierens herauszutreten und echte Freude zu empfinden.